JA!
Fünf stimmen zu
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Werke von Reiko Füting
Jesu, meine Freude, fünfstimmige Mottete von Johann Sebastian Bach
Yes-Song von Lucia Ronchetti
u.a.
Es gibt so schrecklich viel, wozu wir auf dieser Welt ›nein‹ sagen können und müssen. THE PRESENT möchte trotzdem oder gerade deshalb wieder ›ja‹ sagen: zu Zuversicht und Mut, zu Freude und Vielfalt, zu Veränderung und Verbundenheit, zum Innehalten und Hoffnung schöpfen, ja zum JA! Mit unter anderem einer maßgeschneiderten Uraufführung des diesjährigen Composers in Residence Reiko Füting, der Motette ›Jesu meine Freude‹ von J. S. Bach und Lucia Ronchettis ›YES-Song‹ sagt das Vokalensemble einstimmig fünfstimmig: »Tobe Welt, und springe, ich steh hier und singe!«
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Aufführungen
Gesellschaftshaus, Magdeburg 2024
KUB Kunsthaus Bregenz 2024
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Kritik zu "JA!"
Kulturzeitschrift für Kultur und Gesellschaft
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Was nützt es, dass man allezeit ergeben ist der Traurigkeit?
Das Vokalensemble The Present inspirierte die Zuhörenden
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Eine fast sakrale Stimmung herrschte im Foyer des KUB als das Vokalquintett The Present mit Hanna Herfurtner, Olivia Stahn (Sopran), Bernadette Beckermann (Alt), Tim Karweick (Tenor) und Felix Schwandtke (Bass) den Choral aus der Bachkantate „Jesu, meine Freude“ anstimmten. Die Sänger:innen haben bereits in Bregenz für Begeisterung gesorgt. Nun präsentierten sie mit faszinierender Stimmbrillanz unter dem Leitgedanken „JA!“ – aller Unbill unserer Zeit zum Trotz – eine mutmachende musikalische Collage, die das Publikum in den Bann zog. Fantasievoll kombinierte das Ensemble Choralvertonungen der Bachkantate (BWV 227) mit neuen Vokalwerken von Reiko Füting, barocken Arien von Heinrich Albert, Songs der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti sowie eine Sprachkomposition von Carola Bauckolt.
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Alle Texte, die den unterschiedlichen Werken zugrunde lagen, handelten von positiven Gedanken, der Überwindung von Ängsten, Trost, Hoffnung sowie Freude beim Naturerleben. Im Zentrum standen die Choralvertonungen und die polyphonen Abschnitte aus den Römerbriefen, die Johann Sebastian Bach in seiner elfteiligen Motette „Jesu, meine Freude“ vielschichtig vertonte. Es war ungewöhnlich, die Motette a capella, also ohne Basso Continuo, zu hören. Umso präsenter wirkten die präzise geführten Linien der fünf Sänger:innen. Die Themen und Motiv flochten sie kunstvoll ineinander, führten sie gegeneinander und deuteten sie mit reibenden Vorhalten aus, sodass die barocken Affekte gut zur Geltung kamen. Aufmerksamkeit lenkten überdies differenzierte Verzierungen und Melismen, tonsymbolische Intervallschritte und die wunderbar klar intonierten Schlussakkorde auf sich.
Den Höhepunkt des Konzertes formten die Sänger:innen in der transparent ineinander geführten Kontrapunktik auf die Textpassage „Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich“, die das Vokalquintett virtuos entfaltete.
Für die Darbietungen des Ensembles boten die Akustik und das Ambiente im KUB hervorragende Bedingungen.
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Textdeutungen und Sprachkompositionen
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In eine kommunikative Beziehung zu Bachs Choralvertonungen traten die Vokalkompositionen von Reiko Füting aus dem Werk „JA!“ nach Texten von Anja Bachl. Klangsinnlich setzte der Komponist die Wortsemantik der bildhaften Texte in Musik und unterstrich damit die Inhalte. Sogleich das erste Stück „dort ein Becken“ ließ mit dem Wechselspiel zwischen Konsonanten und Liegetönen aufhorchen. Die Quintessenz „man wächst nicht an Unversöhnlichkeiten, sondern an Wagnissen“ kam gut zur Geltung. Ebenso originell wurde der Text „Das ist Trost“ gedeutet, indem über Liegetönen die Wortspiele von Trost und Trostlosigkeit entfaltet wurden. „all we have now ist ein Trugschluss“ war mit flächigen, an Folksongs erinnernden Sounds unterlegt. Eigentümlich wirkte das Stück „Wir sollten keine Abstriche bei Sauerstoffversorgungen machen“ in dem die Sänger:innen mit Luftgeräuschen ein Frösteln und Zittern imitierten. Das Lied „Eine Zwischenlandung kann man erdenken“, in dem die melodischen Linien kunstvoll ineinander verflochten wurden, wirkte musikalisch am reizvollsten. The Present zelebrierte die Werke mit einem kammermusikalischen Geist und gutem Einverständnis untereinander.
Arien von Heinrich Albert frischten die Werkfolge auf. Besonders der Wald-Gesang mit den harmonischen Reibungen ließ aufhorchen oder das Tanzlied „Horto recreamur amoeno“, dessen Emotion eindrücklich entfaltet wurde. Die Ausschnitte aus den YES-Songs von Lucia Ronchetti bereicherten die Werkzusammenstellung. Einen großen Eindruck hinterließ der von Hanna Herfurtner solo gesungene Ausschnitt aus „Coins and crosses“. Überdies gestalteten die Sänger:innen Carola Bauckholts Sprachkomposition „nein allein“ virtuos und humorvoll.
The Present gastierte bereits zum dritten Mal im Rahmen der Bregenzer Festspiele im Kunsthaus Bregenz. Auf weitere Auftritte dieses außergewöhnlichen Ensembles darf man sich freuen.
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Silvia Thurner (Kulturzeitschrift für Kultur und Gesellschaft, 07. August 2024)
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